Von Clémence de Longraye, erschienen in Valeurs Actuelles am 21. Oktober 2021
„Gegrüßet seist Du Maria voll der Gnade…“ Die Stimmen von etwa hundert Studenten und jungen Berufstätigen erheben sich in den Straßen des 15. Arrondissements von Paris. Mit Inbrunst, den Rosenkranz in der Hand, beten sie für den Papst, das Erzbistum Paris und für den liturgischen Frieden. Es ist kurz nach sieben, die Glocken im Viertel läuten zur Vesper, und die Jugendlichen setzen sich in Richtung der Kapelle Notre-Dame du Lys in Bewegung. Nach einem Monat des Widerstands und des Gebets haben sie bereits die Wiederzulassung ihrer Mittwochabend-Messe im überlieferten Ritus erreicht! Diese aber soll fürderhin in einer Pariser Patronatskapelle und von einem Diözesanpriester zelebriert werden.
Die Priesterbruderschaft St. Petrus (FSSP), die hiermit mehr als dreizehn Jahre lang betraut war, wurde auf die Reservebank verwiesen. Trotz der Freude über die Rückgabe ihrer Messe verstehen die jungen Menschen die Politik von Msgr. Aupetit noch immer nicht. Am 8. September verkündete der Erzbischof von Paris seinen Beschluss, die Zahl der Kirchen, in denen Messen im alten Ritus gefeiert werden dürfen, einseitig drastisch zu reduzieren.
„Eine heilige Messe zu verbieten, das bedeutet gleichsam ein Apostolat, heilige Beichten und die entsprechende Katechese zu verbieten“, empört sich Jean-Étienne, ein Gläubiger, dem die Entscheidung des Erzbischofs unverständlich bleibt.
Und Paris stellt keine Ausnahme dar. In Le Havre reduziert Bischof Jean-Luc Brunin drastisch die Rechte der Ecclesia-Dei-Gemeinschaften, zu deren Obliegenheiten es gehört, die hl. Messe im überlieferten Ritus zu feiern. „Die Sakramente der christlichen Initiation [Taufe, Firmung und Eucharistie; Anm. d. Übers.] sowie das Sakrament der Ehe werden von nun an in der Pfarrgemeinde vorbereitet und zelebriert, und zwar nach dem neuen Ritus, entsprechend der Liturgiereform.“ Selbiges gilt für die Katechese.
800 Kilometer weiter, in Grenoble, ruft ein Kommuniqué von Erzbischof de Kérimel den Unmut der traditionellen Gemeinde hervor. Er beschuldigt diese unter anderem „lieber der Sonntagsmesse fernzubleiben als der Liturgie, die von Paul VI und Johannes Paul II befürwortet wurde, beizuwohnen.“ Wenngleich bislang noch keine konkreten Maßnahmen ergriffen wurden, fürchten die Gläubigen das Verbot ihrer hl. Messen und den erzwungenen Rückzug ihrer Priester. Im Limoges gibt es derzeit noch kein offizielles Kommuniqué oder Schreiben. Aber die Gläunigen sind in Sorge, denn obwohl dies vom Bischof zugesagt worden war, wird dem Institut Christus König und Hohepriester (ICRSP) die Kirche im Stadtzentrum nicht zur Verfügung gestellt.
„Ich habe den Eindruck, dass wir zum liturgischen Krieg der 70er Jahre zurückkehren“, so ein junger Mann aus Grenoble. Und unabhängig von jeglichen Diözesanbeschlüssen: Papst Franziskus hält sich mit brüsken Äußerungen gegenüber der Tradition ja nicht zurück. Anfang September machte er klar, er wolle dem überlieferten Ritus „ein Ende setzen und damit
basta.“ Einige Tage später bekräftigte er seine Äußerungen gegenüber jungen slowakischen Jesuiten. Er erklärte ihnen, die Anziehungskraft des überlieferte Ritus auf junge Priester und zahlreiche Gläubige sei „ein Rückschritt“ und man müsse „gegen die Versuchung kämpfen, rückwärts zu gehen“.
Trotz der „Grobheit“ der Äußerungen von Papst Franziskus ihnen gegenüber hatten traditionsverbundene Gläubigen und Priester nicht erwartet, dass von französischen Bischöfen derartige Maßnahmen ergriffen werden würden. Im Juli dieses Jahres zeigten sie sich im Gespräch mit Valeurs actuelles noch „zuversichtlich“ und „sicher“, dass die Bischöfe sich„wohlwollend“ ihnen gegenüber zeigen würden.“
Heute hat sich die Stimmung verändert. „Offiziell beschwichtigen die Bischöfe, aber sie berauben uns all unserer Rechte“, erklärt ein Priester einer Ecclesia-Dei-Gemeinschaft. „Sie überschlagen sich im Eifer und handeln ohne jegliche Absprache“, beklagt ein anderer Geistlicher. „Ich fürchte, dass das alles alte Konflikte wieder befeuern wird“, so ein Priester, der den traditionsverbundenen Katholiken nahe steht.
Um ihrer Stimme Gehör zu verschaffen und die Bischöfe auf die Lage in ihrer Gemeinden hinzuweisen, fehlt es den Gläubigen nicht an Kreativität. In Grenoble haben die Pfarreien Saint André und Notre-Dame-de-l’Isle eine geraume Weile lang die Kollekte bestreikt. Aude, eine Gläubige, erklärt: „Das war eine starker Fingerzeig – nicht, um die Finanzen der Diözese lahmzulegen, sondern vielmehr um gehört zu werden. Unser Bischof hat eine falsche Meinung von uns, und wir möchten, dass er unsere Gemeinde kennenlernt.“ Obgleich Msgr. de Kerimel die Gemeinde sieben Jahre lang nicht besucht und dutzende ihrer Briefe unbeantwortet gelassen hatte – jetzt, am 7. Oktober, haben die Gläubigen einen Gesprächstermin erhalten. Trotz all dem drängt sich aber die Vermutung auf, dass das Verschwinden der lateinischen Messe aus der Diözese möglicherweise schon besiegelt ist.
In Paris stößt man ins selbe Horn: „So lange wir unsere Mittwochsmesse in Saint-François- Xavier nicht wieder bekommen, beten wir weiterhin jeden Mittwochabend unseren Rosenkranz“, verspricht die Bewegung Juventus Traditionis. Für diese jungen Katholiken, die sich die Verteidigung der traditionellen Liturgie auf die Fahnen geschrieben haben, kommt Aufgeben nicht in Frage. Sie hoffen auf ein Gespräch mit Erzbischof Aupetit. Die Diözese von Paris sah sich allerdings bisher – trotz zahlreicher Anfragen – nicht gehalten, zu antworten. Schmerzlich vermissen die Gläubigen die Möglichkeit zum Dialog. Überall.
Obwohl sie sich mit Furcht, Traurigkeit und dem Gefühls der Ungerechtigkeit konfrontiert sehen, handeln die traditionsverbundenen Katholiken doch allesamt aus der Hoffnung heraus. Treu und loyal gegenüber ihren Bischöfen mahnen sie zur Rückkehr zum liturgischen Frieden. Im Namen des „Besonnenheit“ und der „Nächstenliebe“ hofft die Bewegung Juventus Traditionis auf einen Widerruf der Entscheidungen der Bischöfe und auf eine Rückkehr zum Status quo. „Ich habe Vertrauen in Gott, sein Wille ist der richtige und von daher ist alles möglich“, versichert ein Priester der Petrusbruderschaft. „Ich bin überzeugt, dass das, was in den 80er Jahren nicht durchgesetzt werden konnte, auch heute nicht durchgesetzt werden kann“, schließt einer seiner Mitbrüder.
(Übersetzung aus dem Französischen von S. Bauch)